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Körperbild: Wenn das Bild im Kopf nicht mit der Realität übereinstimmt

Wie Kinder und Jugendliche zu einem positiven Körperbild kommen, wie Erwachsene sie dabei unterstützen können - und wie das WiG-Projekt „I am good enough“ dabei hilft.


Viele Kinder und Jugendliche haben ein verzerrtes Körperbild

Julia (12 Jahre) trägt ein extraweites Top und eine schlabbrige Hose. Der Grund dafür ist, dass sie sich selbst als zu dick empfindet. „Bis zum nächsten Sommer möchte ich auf jeden Fall acht Kilo abnehmen“, sagt sie. Auch dem 11-jährigen Gabriel gefällt sein Körper nicht. Daher isst er sehr einseitig. Er hat irgendwo gelesen, dass er von viel Eiweiß stärkere Muskeln bekommt. Seine Mutter macht sich deswegen große Sorgen. Mit gutem Grund. Tatsächlich haben die beiden Teenager ein normales Gewicht im Verhältnis zu ihrer Körpergröße.

Rosemarie Felder-Puig ist Psychologin und nationale Leiterin der Studie "Gesundheit und Gesundheitsverhalten von österreichischen Schüler*innen  - Ergebnisse des WHO-HBSC-Survey 2021/22". Die Umfragen im Rahmen dieser Studie haben ergeben, dass viele Kinder schon in der 5. Schulstufe ebenso wie auch Jugendliche ein negatives Körperbild haben. Dies bedeutet, dass sie sich entweder als zu dünn oder zu dick empfinden, obwohl sie in Wirklichkeit ein normales Gewicht haben. Ein solch verzerrtes, negatives Körperbild kann jedoch zu für die Gesundheit riskantem Verhaltensweisen und auch ernsthaften psychischen Erkrankungen wie etwa Essstörungen führen.

Die wichtigsten Fragen und Antworten rund um Körperbilder

Rosemarie Felder-Puig (Abteilungsleiter-Stellvertreterin der Abteilung Evidenz und Qualitätsstandards bei Gesundheit Österreich) im Interview:

Gab es das Phänomen verzerrter Körperbilder schon immer? 
Ja, das ist nichts Neues. Junge Menschen entwickeln oft negative Körperbilder, wenn sie in die Pubertät kommen. In dieser Zeit müssen sie viele Veränderungen in ihrem Körper, dem Geist und dem sozialen Leben verarbeiten und in ihr Selbstbild einbinden. Dazu gehört auch die Beurteilung, inwiefern der eigene Körper den Vorstellungen von Weiblichkeit beziehungsweise Männlichkeit entspricht. Einfluss darauf nehmen die gängigen gesellschaftlichen Vorstellungen von Attraktivität und gutem Aussehen.

Welche Faktoren beeinflussen die Entwicklung eines positiven oder negativen Körperbildes bei Kindern und Jugendlichen?
Verzerrte Körperbilder sind oft mit einer ganzen Reihe anderer psychologischer Störungen oder Probleme verbunden. Kontrolliertes Essen wie Kalorienzählen oder extremes Hungern sind für die Betroffenen oft eine Bewältigungsstrategie, um mit inneren Konflikten oder negativen Gefühlszuständen umzugehen. Meist liegt auch eine eingeengte Wahrnehmung in Bezug auf die eigenen Gefühlszustände vor. Psychisch gesunde Jugendliche empfinden sich als zu dick oder als zu dünn, obwohl sie Normalgewicht haben. Dies hat mit gängigen Geschlechterstereotypen zu tun und damit, dass in der westlichen Gesellschaft das weibliche Körperideal schlank ist und das männliche muskulös.

Welche Auswirkungen haben die sozialen Medien auf das Körperbild von Kindern und Jugendlichen?
Die Gesellschaft, die Familie und individuelle Faktoren nehmen Einfluss auf Körperbilder. In unserer digitalen Welt führen auch Social-Media-Kanäle dazu, dass Kinder und Jugendliche sich ständig mit anderen vergleichen. Der häufige Vergleich mit vermeintlich attraktiven Gleichaltrigen führt sicherlich zu vermehrten Bedenken und negativen Bewertungen des eigenen Körperbilds. Bearbeitete, unrealistische Bilder von sehr schlanken Frauen haben einen negativen Effekt auf den Selbstwert von Mädchen. Aber auch Buben und junge Männer versuchen immer mehr gesellschaftlichen Idealen aus den sozialen Medien zu entsprechen.

Welche gesundheitlichen Folgen hat ein negatives Körperbild?
Unzufriedenheit mit dem eigenen Körpergewicht oder Körperumfang kann zu vorsätzlichen Maßnahmen zur Veränderung des Körpers führen. Beispiele dafür können sein: Kalorienzählen, exzessives Sporttreiben, ungesunde Diäten, chirurgische Eingriffe etc. Dabei ist es möglich, dass psychisch belastete Jugendliche auch in eine Essstörung kippen.

Welche Arten von Therapien und Behandlungen gibt es?
Kinder und Jugendliche sollten über Risken beim Abnehmen aufgeklärt werden. Wenn sie nicht sicher sind, ob ihr Wunsch nach Gewichtsveränderung gut für Ihren Körper ist, können sie sich z. B. an Schülärztinnen oder -ärzte wenden. Wichtig ist auch ein kritischer Umgang mit den sogenannten Vorbildern aus den Sozialen Medien. Dieser kann in der Schule oder der Jugendarbeit vermittelt werden.

Das Projekt „I am good enough“ stärkt positive Körperbilder

Damit Kinder und Jugendliche ein positives Körperbild entwickeln können, setzt die Wiener Gesundheitsförderung – WiG  mit dem Projekt „I am good enough“ auf kostenlose Workshops und Weiterbildungsangebote für Schüler*innen und erwachsene Bezugspersonen (Pädagog*innen, Eltern, Jugendarbeiter*innen).

Schulworkshops für Schüler*innen
Den eigenen Körper in der pubertären Phase zu verstehen ist wichtig. Das ist nicht immer einfach. Die Schulworkshops für Kinder und Jugendliche von 10-14 Jahren (in Mittelschulen und Allgemeinbildenden höheren Schulen, umgesetzt von queraum. kultur- und sozialforschung) setzen genau hier an. In den Workshops geht es darum, sich kritisch mit dem Thema auseinanderzusetzen. Im ersten Workshop werden in Kleingruppen Schönheitsideale, Körperbilder und Wohlbefinden diskutiert und Möglichkeiten für eine kreative Bearbeitung besprochen. Bis zum nächsten Workshop setzen die Jugendlichen mit der Unterstützung ihrer Lehrer*innen ein Kreativprojekt ihrer Wahl um, das sie einander dann vorstellen. Das Team von queraum.kultur-und sozialforschung erarbeitet dazu gemeinsam mit den Schüler*innen Produkte, Bilder, Kurzfilme u. v. m. Die Präsentation und die gegenseitige Wertschätzung stärken das Selbstwertgefühl der Einzelnen und den Zusammenhalt in der Klasse.

Online-Seminare für Erwachsene
Erwachsene Bezugspersonen von Jugendlichen sowie Bildungs-und Freizeitpädagog*innen sind wichtige Vorbilder. Sie nehmen großen Einfluss auf die Entwicklung eines positiven Körperbildes von Kindern und Jugendlichen. Im Rahmen von Online-Weiterbildungen gibt es die Möglichkeit, sich grundlegendes und praxiorientiertes Wissen zur psychischen Gesundheit von Jugendlichen anzueignen, sowie darüber, welche Bedeutung und welchen Einfluss medial vermittelte Körperbilder darauf haben und wie man Jugendliche in der verwundbaren Phase der Pubertät gut unterstützen kann.

Das Projekt „I am good enough. Stark durch vielfältige Körperbilder“ der Wiener Gesundheitsförderung - WiG und queraum. kultur- und sozialforschung wird aus Mitteln der Agenda Gesundheitsförderung und des Fonds Gesundes Österreich gefördert. Alle Infos und Anmeldung: I am good enough.

Positives Körperbild: Diese 4 Faktoren unterstützen Kinder und Jugendliche

Es gibt Wege, die Kindern und Jugendlichen zu einem positiven Körperbild verhelfen können. Wer früh gegensteuert, kann gesundheitlichen und psychischen Folgen, die ein negatives Körperbild auslösen kann, entgegenwirken.  

1. Das Wissen über körperliche Veränderungen in der Pubertät fördert ein positives Körperbild.
Während der Pubertät erleben Jugendliche viele Veränderungen in und an ihrem Körper. Wichtig ist, sie und ihre Gefühle ernst zu nehmen. Informationen helfen ihnen, realistische Erwartungen an sich und ihr Aussehen zu entwickeln. In Gesprächen können die eigenen und Interessen entdeckt und in den Vordergrund gerückt werden. Denn diese machen uns doch aus und nicht unser Aussehen.

2. Gute Beziehungen zu erwachsenen Bezugspersonen stärken das gesunde Körperbild.
Es ist sehr wichtig, dass Kinder und Jugendliche tragfähige Beziehungen zu Eltern und anderen erwachsene Bezugspersonen haben. Konflikte müssen ausgetragen werden können, es müssen eine Vertrauensbasis vorhanden und das Gesprächsklima offen sein. Dadurch können sich die Heranwachsenden sicher und akzeptiert fühlen. Auch Erwachsene selbst sollten mit gutem Beispiel voran gehen und einen positiven bzw. liebevollen Zugang zum eigenen Körper fördern.

3. Positive & vielfältige Vorbilder in Medien
Eine Vielfalt an positiven und realistischen Vorbildern stärkt das eigene Körperbild. Dazu gehören verschiedene Körpertypen und Körpergrößen. Wichtig ist es, dass Eltern sich über die Medien, die die  Kinder konsumieren, informieren, sich mit den Kindern zusammensetzen und sich gemeinsam kritisch mit den dargestellten Bildern beschäftigen.

4. Auf positive Verhaltensweisen achten
Haben Kinder und Jugendliche ein gesundes Verhalten zu Ernährung und Bewegung, können sie auch ein positives Gefühl für ihren Körper entwickeln. Vorbilder wie Eltern oder Bildungs- und Freizeitpädagog*innen können Kinder unterstützen, sich positive Verhaltensweisen anzueignen und umsetzen.